Samstag, 16. August 2014

REALisiert!



„Happy? Happy to be in India? Happy? Happy?“ – schon die ersten Worte, die wir auf indischen Boden hörten waren geprägt von Offenheit und Freundlichkeit, wie bei fast jeder Begegnung mit den Leuten von hier. Es kommt nicht selten vor, dass man von der Seite mit einem freundlichen, interessierten Lächeln angesprochen wird, was man denn hier mache und woher man kommt oder wahlweise eine Gruppe junger und aufgeregter Schulmädchen auf uns zugerannt kam, um ein Foto mit uns zu machen. Es ist schon ungewohnt so eine Aufmerksamkeit aufgrund der Hautfarbe zu bekommen, aber trotzdem ist es bis jetzt noch nie unangenehm geworden, weil die Menschen meistens absolutes Interesse und Neugier ausstrahlen. Ganz im Gegenteil, es ist schön, wenn man das Gefühl gegeben bekommt, hier Willkommen zu sein
und genau das haben die Menschen hier durch ihre Art sofort geschafft.
Für einen guten Start in Indien hat sich auch Malathi, unsere Hauptansprechpartnerin in Indien, unglaublich bemüht. Von ihr wurden wir Flugzeugzombies mit einem strahlenden Lächeln und ihrer herzlichen Art vom Flughafen abgeholt und zum KKID in Coimbatore (Karl Kübel Institute for Development Education), der Partnerorganisation der KKS (Karl Kübel Stiftung), gefahren, wo wir unsere erste Woche verbracht haben. Schon die Fahrt dorthin ließ an neuen Eindrücken nicht zu wünschen übrig und ließ uns gebannt aus dem Fenster schauen, während wir uns von indischer Bollywood-Musik beschallen ließen, kleines Kopfkino:


Busfahrt durch Coimbatore zum KKID
der hektische Verkehr, das ständige Hupen bei egal welcher Gelegenheit, die Scharen von Mopeds die von allen Seiten mit waghalsigen Manövern überholen, am Straßenrand Menschen, die Körbe flechten, ihr Obst verkaufen oder Metall schweißen ohne jegliche Schutzvorkehrungen; moderne Baustellen und schicke Toyota-Verkaufshäuser neben eng zusammengepferchten Wellblechhütten, die genau einen Raum haben, den man von der Straße aus ganz durchblicken kann, davor kleine Kinder die auf dem Boden spielen und Bettler, die ihre Wege gehen; zwischen den vielen Autos immer wieder Holzwägen mit Kühen angespannt, deren Hörner bunt bemalt sind; zwischendrin einsam scheinende Ziegen, Pferde, Hühner und Straßenhunde, die teilweise sehr fit, teilweise angefahren oder abgemagert aussehen … Im Hintergrund überall grüne Berge mit Palmenwäldern, die Felder um die Stadt dagegen übersät mit Plastikmüll; die Umweltverschmutzung durch die Ziegelsteinbrenntürme ist deutlich sichtbar, deren Wolken die ganze Stadt einhüllen … jede Minute ein neuer Geruch, jeden Minute ein neuer Eindruck, teils angenehm, teils abstoßend, vor allem aber alles sehr fremd, eine Fremde die man mit allen Sinnesorganen wahrnehmen kann!
spirituelle Tour - Tempelbesuch bei Coimbatore
Im KKID, das durch die vielen Blumenbüsche und Palmen schon fast paradiesisch wirkte, erwartete uns dann ein anstrengendes, aber sehr abwechslungsreiches Programm, bei dem wir uns langsam aber sicher aklimatisieren und ein bisschen indische Luft schnuppern konnten. Von unserer ersten Tour durch Coimbatore, der Shoppingtour (für circa 3 Stunden tauchten wir in die indische Modewelt ein und hatten es dann endlich dank vieler Tipps von Malathi geschafft, alle 16 Freiwillige für die nächsten Tage kleidungstechnisch auszustatten), über den Besuch zweier Tempel und einer Kirche, mit Meditation und einem rituellen Bad, regelmäßigen Yogastunden um 7 Uhr morgens, ein Treffen mit einem Police Officer und eine Einführung in Martial Arts zur Selbstverteidigung bis hin zu praktischen Hilfestellungen für den Alltag wie zum Wäsche waschen mit Eimern und Waschstein – wir bekamen in viele wichtige Lebensbereiche einen kleinen Einblick. Gleichzeitig konnten wir anfangen uns daran zu gewöhnen, dass die Wassertemperatur der Dusche abhängig von der vorherigen Sonneneinstrahlung war, dass regelmäßig der Strom ausfällt, man morgens unter der kalten Dusche ab und zu von einem kleinen Gecko begrüßt wird und dass der Wasserbecher, den man bei Essen dazugestellt bekommt, nicht zum trinken da ist, sondern um das als Teller dienende Palmenblatt zu säubern. Die letzten Tage kamen unsere Mentoren aus unseren Projekten dazu, sodass wir die Möglichkeit bekamen, uns kennen zu lernen und alle Fragen los zu werden, die uns schon so lange auf den Lippen brannten. Wir müssen zugeben, dass es nicht einfach war, sich eine echte Vorstellung zu machen, was genau alles in das Aufgabenfeld von Real fällt und was genau für uns als Freiwillige vorgesehen ist. Es war alles so unvorstellbar, dass wir am Mittwoch fast vor Spannung platzten, als es mit dem Nachtbus in Richtung Pondicherry ging.
Ausblick von unserem Balkon
Morgens kamen wir dann endlich in unserer kleinen Wohnung an, die wir sofort ins Herz schlossen, auch wenn uns die für indische Verhältnisse luxuriöse Größe erschreckend vorkam. Nachdem wir ein bisschen Schlaf nachgeholt hatten, ging es dann ab in die Office von Real, wo wir unglaublich liebenswert vom ganzen Staff mit Blumen und einem Schal begrüßt wurden. Durch die freundliche Atmosphäre haben wir uns ziemlich schnell wohl fühlen können, sodass wir uns wirklich auf die Arbeit hier freuen! Endlich sind wir an dem Ort angekommen, den wir uns Tag für Tag in Deutschland ausgemalt hatten, und das verschaffte uns große Erleichterung und Dankbarkeit.
Als wir wieder nach Hause kamen, wurden wir dann von einem kleinen See in der Küche begrüßt, wir hatten mittags leider den kaputten Wasserspender für unser Trinkwasser erwischt! Nachdem wir endlich alles aufgewischt hatten, und uns vollgegessen auf unser Bett freuen wollten, schafften wir es dann auch noch beim Abwasch den Abfluss zu schrotten, sodass sich eine kleine Welle mit schwarzem, schmutzigem Wasser auf dem Küchenboden ausbreitete. Als wir nun zum zweiten Mal an diesem Tag den Boden wischten, mussten wir wieder an die Devise der letzten Freiwilligen denken: Selbsthumor ist das wichtigste, um in Indien durchzukommen! Und genau das begannen wir in der Situation zu verinnerlichen …
Doch schon die kurze Zeit, die wir hier in Indien verbracht haben, zeigte uns, wie viele Dinge es gibt, die immer wieder kurz aufblitzen, die wir jetzt aber noch nicht verstehen können und vielleicht auch nie ganz durchblicken werden … Themen wie das Verhältnis zur Religion, Sicherheit, Familie und arrangierte Ehe sind im Alltag durchaus präsent, sodass sie uns in den nächstens 8 Monaten sicherlich beschäftigen und begleiten werden.

1 Kommentar:

  1. Hallöchen ihr beiden,
    mit einer Mischung aus Begeisterung und Wehmut hab ich euren Artikel gelesen und am Ende musste ich laut lachen :) Ich hätte nie gedacht, dass der kaputte Wasserspender immer noch da ist - aber immerhin habt ihr direkt verstanden, woher das Wasser auf dem Boden kommt (wir nicht...)
    Wünsche euch viele aufregende Tage und gemütliche Abende zu zweit!
    Eure Ruth

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