Montag, 22. Dezember 2014

Du Indien - Ich Europa?

"Das gehört doch zu euch, oder?"
 
Wenn man sich als offensichtlicher Ausländer durch Indien bewegt wird man erst einmal, und das ist auch ganz natürlich, in die westliche Kultur gesteckt. Dieses Bild der "westlichen Kultur" ist dann oft ein bunter Mix: westliche, knappere Kleidung, anderes Essen, Alkohol, reiches Amerika, wissenschaftlicher Fortschritt, blonde Schönheiten, Hitler, Martin Luther... es gibt vieles, was man "westlich" nennen kann - so wie auch wir oft ein sehr unspezifisches, vielfältiges Bild von den östlichen Kulturen haben. Doch mit welchem Bild vom Westen kann ich mich denn identifizieren? Viele Partys, Hip-Hop, Actionfilme - oft werden wir gefragt, ob wir diese Dinge mögen und meistens verneine ich das und ärger mich etwas, in diese Schublade gesteckt zu werden. Andererseits fühlt es sich dann doch wieder heimisch an, sich einen amerikanischen Film anzuschauen oder die letzten Charts zu hören, denn irgendwie gehört es ja doch zu unserem Leben.
 

Heimisch...
 
Auch das Dorf S.Pudur ist jetzt zu einem Heim geworden. Das Ein- und Ausgehen von Mitarbeitern, Bauern und SHG Mitgliedern im Office, das Schaltragen, das fünfmal am Tag Kaffee trinken und das Arbeiten in Day Care Centre und Tution Class; also insgesamt ein Leben, das im Vergleich zu Deutschland einfacher und mit viel weniger Luxus ausgestattet ist,  fühlt sich für uns fünf Tage in der Woche nach Zuhause an. Umso verwirrender ist es, dann wieder in die eigene Wohnung nach Pondicherry zu fahren, wo wird die Möglichkeit haben, Pizza essen zu gehen oder einen Cappucino zu trinken, wo kaum Stromausfälle sind und wir im Hauptoffice Internet haben. All das fühlt sich ebenfalls gut an, aber kann man das "Zuhausegefühl" dann einfach wieder abstellen? Wenn wir zwar fünf Tage in S. Pudur mitleben und mitarbeiten, aber uns danach wieder all das leisten können, was die moderne Seite Indiens zu bieten hat, was für einen Wert hat die Erfahrung dann, sich in S.Pudur anzupassen?

Ich anders - du anders.
 
Begründet durch Klimazonen, durch Lebensbedingungen und verschiedener geschichtlicher Einflüsse hat sich innerhalb der Menschheit eine kunterbunte, unvorstellbare und unübersichtliche Kulturenvielfalt gebildet. Das Ziel eines Freiwilligendienstes ist unter anderem, sich dieser bewusst zu werden und anzunähern. Die Erfahrungen, die wir machen, werden (hoffentlich) unseren Blick für das Wesentliche schärfen und uns klarmachen, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Denn das kann man in unserem Leben im Überfluss, wie wir es in Deutschland führen können, leicht vergessen. Und am Besten wäre es - und dann lohnt sich das staatliche weltwärts - Programm auch wirklich - wenn wir diese neugewonnenen Erfahrungen in unserem späteren Leben irgendwie verarbeiten können. 

Es stimmt: In unserem Zuhause geht es uns besser als vielen Menschen hier und auch als Freiwilliger hat man oft einen höheren Lebensstandard als die ländliche Bevölkerung. Doch deshalb sollten und dürfen wir kein schlechtes Gewissen haben. Von niemandem, auch von uns wird nicht erwartet, dass wir unsere eigene Kultur für die indische aufgeben oder uns für unsere schämen müssen. Was wir tun sollten und dürfen ist, die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen, eine andere Art zu leben und zu arbeiten kennenzulernen, eine anderes Lebensgefühl in uns aufzusaugen und eine Kultur zu verstehen, die grundverschieden ist zu unserer. 

Um den ganzen Blogeintrag in zwei Worten zusammenzufassen: Brücken bauen.

2 Kommentare:

  1. Ja grundverschieden ist die Kultur aber auch beständig ich war noch am 4.12.14 in Mamallapuram jetzt wieder in Berlin ,aber vor genau 40 Jahren in Goa und muss sagen grundlegend hat sich das Leben in Indien nicht geändert. Immer noch faszinierend...

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  2. Sehr schön auf den Punkt gebracht!

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